Familien in Niederzeuzheim verzweifeln wegen verschleppter Bauplanung
Familien sind die Keimzellen unserer Gesellschaft und bedürfen der besonderen Unterstützung. Wir sind froh, wenn Frauen und Männer meist gleichberechtigt ihrer Arbeit trotz der Erziehung ihrer Kinder nachgehen können.
Doch wie sieht es in Hadamar und im Speziellen in Niederzeuzheim aus?
Eine Elterninitiative um Carmen Fritz aus Niederzeuzheim ließen Bürgermeister Ruoff Anfang Dezember eine Unterschriftenliste zukommen. Vierundvierzig Eltern aus Niederzeuzheim richteten sich damit nicht zum ersten Mal mit einem dringenden Appell an die Stadt. Es stellt sich mit Recht die Frage, warum der Neu- oder Umbau der katholischen Kita St. Peter in Niederzeuzheim zu einer „unendlichen Geschichte“ geworden ist, der die betroffenen Eltern zu solchen Aktionen zwingt?

Schon 2016 machten einige Eltern aus Niederzeuzheim Bürgermeister Ruoff auf die fehlenden Plätze für ihre Kinder aufmerksam. 2017 wurde öffentlich verlautbart,
dass eine Erweiterung oder ein Neubau der Kita St. Peter in Niederzeuzheim geplant wird.
Dann passierte erstmal nichts. Die kommunale Planung wurde zweieinhalb Jahre lang verschleppt und das rächt sich nun. Erst während des aktuellen Doppelhaushaltes (2.
Halbjahr 2019/ 2020/ 1. Halbjahr 2021) wurde die Planung vorangebracht, allerdings ohne diese der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bis Mitte des Jahres soll die Planung durch
die entsprechenden Gremien genehmigt werden. Der voraussichtliche Baubeginn ist im Jahr 2022 und die erwartete Fertigstellung 2023. Die Kinder der betroffenen Eltern werden wahrscheinlich bis
dahin schon dem Kindergartenalter entwachsen sein.

Aktuell benötigen 44 Kinder ab drei Jahren allein in Niederzeuzheim bis 2023 einen Kita-Platz. Zu wenige Kinder kommen in dieser Zeit in die Schule, wodurch nicht genügend Plätze in der Kita St.
Peter frei werden.
Wohin sollen die Kinder verteilt werden, die in den nächsten drei Jahren bis zur Fertigstellung des Neu- oder Ausbaus keinen Platz in der Niederzeuzheimer Kita St. Peter erhalten
können? Die Kitaplätze in den anderen Ortsteilen haben sicherlich keine so hohen Leerkapazitäten, da sie doch vornehmlich die Kinder ihres Stadtteils zu versorgen haben.
Die Eltern aus Niederzeuzheim sind zunehmend verzweifelt: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hängt von einer bedarfsgerechten Kinderbetreuung ab. Zudem ist
es wichtig für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts, dass Kinder mit ihren Freunden aus der Kita im Anschluss die Niederzeuzheimer Grundschule besuchen können. Außerdem ist die Erreichbarkeit
einer Kita in einem anderen Ortsteil gebunden an die Verfügbarkeit eines (Zweit-)Autos, da die Ortsteile schwerlich über den ÖPNV erreicht werden können (siehe 1). In einem
Urteil, das Bezug auf freie Plätze in wohnortfernen Kitas innerhalb einer Kommune nimmt, weist das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 14.08.2013; Az. 12 B 793/13) darauf hin:
„...dass Pauschalisierungen bei der Prüfung der Frage, ob eine Tageseinrichtung oder eine Tagespflegestelle vom Wohnort des Kindes aus in vertretbarer Zeit erreichbar ist, grundsätzlich
allenfalls einen ersten groben Anhalt bieten.“ Unzumutbare Entfernungen und finanzielle Belastungen sind für die Eltern aus Niederzeuzheim auf jeden Fall zu erkennen.
Gesetzlich ist die Stadt Hadamar zur Bereitstellung ausreichender Betreuungsplätze für Hadamarer Kinder verpflichtet (HessKiFög-
Kinderförderungsgesetz im HKJGB).
Das bedeutet, dass betroffene Eltern durch eine Kita-Platz-Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht Wiesbaden, die Stadt Hadamar in eine unangenehme finanzielle Situation durch
Ausgleichszahlungen bringen könnten.
Faktisch steigt mit der mangelnden Kinderbetreuung der Druck auf junge Familien und hier besonders auf die Frauen, die in der Kindererziehung meist stärker
gefordert werden. Die Situation von Alleinerziehenden ist noch verschärfter.
Skandalös ist zudem die Haltung eines Verantwortlichen der Stadt, der sich folgendermaßen äußerte: „...., dass sich doch Paare überlegen sollten, ob sie sich ein Kind überhaupt leisten können.“
Eine antiquierte Sicht auf die Gesellschaft wird entlarvt, deren Auswirkungen in der jahrelangen Blockade familienfreundlicher Entwicklungen in Hadamar momentan deutlich erfahrbar sind (z.B.
Geburtsraten der Stadt Hadamar als Arbeitsgrundlage für die gesetzlich vorgegebene Bereitstellung von Kita-Plätzen zu nehmen und die Bedarfe nicht zeitlich zu verschleppen oder eine
elternfreundliche Koordinierung von Betreuungszeiten in Kitas). Es ist höchste Zeit, Hadamar neu zu denken und Konzepte zu entwickeln, die sich an den heutigen Lebensrealitäten der Eltern
orientieren (siehe 2).
Am Träger und der Finanzierung liegt es nicht
Das Bistum Limburg als Träger der Kita St. Peter beteiligt sich generell schon seit vielen Jahren nicht mehr am Ausbau neuer Kindergartengruppen, das bedeutet, das Bistum übernimmt auch in
Niederzeuzheim nur für die bestehenden Kitagruppen hälftig die Kosten. Dabei ist das Bistum Limburg als Träger nicht in der Position, Vorgaben zu machen und Planungen voranzutreiben. Die Stadt
Hadamar tritt subsidiär an die Stelle des Staates und hat die Planung und Gesamtkoordination zu übernehmen. Für die dritte, seit vielen Jahren provisorisch ausgelagerte Gruppe und die neue
Gruppe, wird sie zu 100 Prozent die Kosten übernehmen. Die Kosten werden aus vielen Töpfen aus Kreis-, Landes- und sogar Bundesmitteln, bezahlt (siehe BMFSFJ-Meldung vom 17.06.2020, Zugriff: 01.01.2021).
Schlechte Signale an junge Familien
Die Verantwortlichen sollten sich fragen, warum sie es durch die Verschleppung des Kitaausbaus ihren Bürgerinnen und Bürgern so schwer machen, in einer zeitgemäßen und modernen Stadt Hadamar
leben zu können. Die Priorisierung der Lebenssituation von jungen Familien passte wohl nicht in die Haushaltsplanung ab 2017!?
Diese toxischen Signale kommen bei den jungen Familien an, die sich immer öfter überlegen, wegen der ungünstigen Lebenssituation bei der Betreuung von jüngeren Kindern und des
unsolidarischen Ausbaus der „Lebensader“ Glasfaserkabel, der das Arbeiten von zuhause zusätzlich erschwert, aus Hadamar wegzuziehen. Wollen wir das? Sollten sich diese Missstände
verstärken, gehen wir als Einwohner:innen Hadamars sehenden Auges in eine düstere Zukunft. Eine lebendige und vitale Stadt braucht Familien und bedarfsgerechte Kinderbetreuung. Nicht
häppchenweise, sondern mit Konzept!


Das Kind ist in den Brunnen gefallen! Gibt es Rettungsszenarien?
Was kann die Stadt Hadamar tun, um den betroffenen Eltern in Niederzeuzheim konstruktiv zu helfen?
- Aufstellen eines oder mehrerer Kita-Containers zum Beispiel auf dem weitläufigen Kirmesplatz als Übergang für alle Niederzeuzheimer Kinder, vor allem für diejenigen, die in keiner Kita eines anderen Stadtteiles einen Platz bekommen haben.
- Einrichtung eines Fahrdienstes zu den Kitas in anderen Stadtteilen.
- Zukünftig könnte die Eröffnung eines Waldkindergartens in Oberzeuzheim die Mangelsituation in der Betreuungslandschaft abmildern. Dieses Angebot der frühkindlichen Betreuung ist für die Stadt verhältnismäßig kostengünstig und könnte einigen ambitionierten Eltern aus der Bredouille helfen und der Verwaltung der Stadt Hadamar auch. Allerdings müsste auch hier die Frage des Transports der Kinder geklärt werden.
Wir fordern:
- Eine zeitnahe Lösung der schwierigen Situation des Niederzeuzheimer Betreuungsproblems. Die Eltern trifft keine Schuld! Die Stadt Hadamar und die Verantwortlichen haben hier durch die Projektverschleppung etwas gut zu machen!
- Die Bürger:innen und vor allem die Niederzeuzheimer Eltern erwarten eine Kommunikation auf Augenhöhe und keine häppchenweise geführte Informationspolitik.
- Das Leben von jungen Familien im ländlichen Raum wie in Hadamar darf nicht bedeuten, sich mit Zuständen aus dem letzten Jahrhundert arrangieren zu müssen, sonst ist eine Abwanderung vorprogrammiert.
- Wir Bürger:innen brauchen eine zeitgemäße und professionelle Planung und Koordination von Projekten jeglicher Art in einer modern geführten Verwaltung.
- Die Stadtverwaltung muss die Lebensrealitäten der Einwohner:innen abbilden, nicht umgekehrt!
Sabine Hirler, 02.01.2021
Vorsitzende BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hadamar-Dornburg
Auszüge aus Zuschriften an Sabine Hirler von betroffenen Eltern:
1 Fiktives Szenario, Kind wird mit ÖPNV von Niederzeuzheim nach Oberzeuzheim gebracht: „Man müsste um 6:54 mit dem Zug nach Hadamar, dort umsteigen in den Bus um 07:04, und dann das Kind in die
Kita bringen. Der nächste Bus nach Limburg fährt um 8:03 Uhr, Ankunft in Limburg 8:35 Uhr. Das Kind soll bis 16:30 Uhr abgeholt werden. Um pünktlich dort zu sein, müsste Mutter oder
Vater um 15:20 Uhr mit dem Bus wieder nach Oberzeuzheim, dort wäre man dann um 15:55 Uhr. Dann mit dem Kind um 16:33 mit dem Bus nach Hadamar und von dort aus mit dem Bus um 16:50 zurück nach
Niederzeuzheim, Ankunft 17:06 Uhr. Und das für einen Arbeitstag von allerhöchstens 6 Stunden. Ob ein Arbeitgeber das so mitmacht ist auch noch die Frage.“
2 „Dass der Umbau des Kindergartens nicht von heute auf morgen geht, ist klar, daher muss dringend gehandelt werden, denn für die Eltern des Jahrgangs 2018/2019 endet 2021 bzw. 2022 die
Elternzeit. Und die Arbeitgeber müssen wissen, ob das Elternteil wieder arbeiten gehen wird. bzw. kann es sich kaum jemand noch leisten, dass nur 1 Elternteil arbeitet.“