„Kein falscher Aktionismus im Radwegebau, denn die Natur wird zerstört!“

Zum Artikel „Radweg von Niederzeuzheim nach Thalheim soll neue Streckenführung erhalten“ in der Heimatpost vom 12.11.2020 und entsprechender Berichterstattung in der NNP

Grundsätzliches
Selbstverständlich stehen wir von Bündnis 90/ Die Grünen für den Ausbau und die Optimierung des Radwegenetzes in Hadamar und seinen Stadtteilen, was bereits unserem seit Mai (!) bekannten grünen 7-Punkte-Programm entnommen werden kann (Punkt 4 - „Verkehr beruhigen und die Ortsteile durch eine Stadtbuslinie und ein verbessertes Radwegenetz miteinander verbinden“).
Dabei ist es uns wichtig, dass neue Radwege, wenn möglich ohne Versiegelung von neuen Flächen, gebaut werden. Neue Radwege sollen immer im Kontext eines nachhaltigen Landschafts- und Naturschutzes entwickelt werden.

Sabine Hirler und Marc Hannappel bei der Ortsbegehung in Niederzeuzheim am 4.12.2020. Die Beiden stehen auf dem einzigen Zugang zur HALM-projektierten Wiese. Durch einen Radweg könnte ein Großteil der Fläche nicht mehr bewirtschaftet werden.
Sabine Hirler und Marc Hannappel bei der Ortsbegehung in Niederzeuzheim am 4.12.2020. Die Beiden stehen auf dem einzigen Zugang zur HALM-projektierten Wiese. Durch einen Radweg könnte ein Großteil der Fläche nicht mehr bewirtschaftet werden.

Um was geht es?
Durch den Haushalt der Stadt Hadamar war uns bekannt, dass für Niederzeuzheim für das Radwegeprojekt „Nassau-Wäller-Radrunde“ im laufenden Haushaltsjahr Ausgaben in Höhe von 75 T€ eingeplant sind. Hierfür soll das Förderprogramm HESSENKASSE des Landes mit einem Betrag von 67.500 € in Anspruch genommen werden, sodass ein städtischer Anteil von 7.500 € verbleibt. Da ein Radweg von Hadamar nach Niederzeuzheim existiert, musste es sich hierbei um die Strecke von Niederzeuzheim nach Thalheim drehen. Weil Bündnis 90/ Die Grünen noch nicht im Stadtparlament vertreten sind, kannten wir keine Einzelheiten wie bspw. den künftigen Streckenverlauf. Erst durch die kürzlich erfolgten Berichterstattungen in der Presse, in denen Bürgermeister Ruoff im Zuge des Wahlkampfes die geplante Änderung für sich verbucht hat, wurden diese öffentlich bekannt. Demnach soll die derzeitige Wegeführung über die Obergasse und das Gelände des Reit- und Fahrvereins hin zum geschotterten Wirtschaftsweg nach Thalheim aufgegeben und stattdessen ein von der verlängerten Bornfelsgasse aus direkt zu diesem Wirtschaftsweg führender neuer Radweg gebaut werden.

Ohne Rücksicht auf erhaltenswerte Naturräume
Dass ökologische Aspekte für den Bürgermeister keinerlei Rolle spielen, hat er bereits eindrucksvoll bei der Realisierung der direkten Radwegeverbindung zwischen Hadamar und Niederhadamar unter Beweis gestellt. Schließlich ist der Bau auf seine Initiative hin und allen Widerständen zum Trotz mitten durch das Naturschutzgebiet „Kalksteinbruch“ erfolgt.
Vor diesem Hintergrund haben wir jetzt eine Ortsbesichtigung zur geplanten neuen Streckenführung in Niederzeuzheim vorgenommen.
Beim geplanten Radweg von Niederzeuzheim nach Thalheim stufen wir auf Grund der Topographie mit Waldgebiet in starker Hanglage im Osten und dem Salzbach im Westen die betreffenden Grünflächen demnach anders ein, als ein „teils sumpfiges Gelände, für das ein Bodengutachten in die Wege geleitet wurde“, wie Herr Ruoff es lapidar getan hat.
Dabei handelt es sich hierbei um wertvolle Feuchtwiesen, die unserer Kenntnis zufolge nach dem Hessischen Programm für Agrarumwelt- und Landschaftspflege-Maßnahmen (HALM) bewirtschaftet werden. Dieses Programm des Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz dient der Förderung einer besonders nachhaltigen Landbewirtschaftung in Hessen. Mit den Fördermaßnahmen soll ein Beitrag zur Erfüllung der Ziele in den Bereichen Biologische Vielfalt, Wasser-, Boden- und Klimaschutz sowie bei der Erhaltung der Kulturlandschaft geleistet werden

Die wertvolle HALM-projektierte Feuchtwiese. Am Waldrand entlang soll der Radweg mit wassergebundener Decke gebaut werden. Da ein grundhafter Aufbau aufwändig ist, werden sich die Kosten vervielfachen, der Boden verdichtet und Fauna und Flora geschädigt.
Die wertvolle HALM-projektierte Feuchtwiese. Am Waldrand entlang soll der Radweg mit wassergebundener Decke gebaut werden. Da ein grundhafter Aufbau aufwändig ist, werden sich die Kosten vervielfachen, der Boden verdichtet und Fauna und Flora geschädigt.

Die Stadt Hadamar zäumt das Pferd von hinten auf
Um einen Weg durch eine mittlerweile seltene Feuchtwiese zu genehmigen, müsste die Zustimmung vom Landwirtschaftsamt eingeholt werden, das HALM-Gebiete beaufsichtigt und vergibt. Da sich am geplanten Radweg über den gesamten Waldrand entlang, ein Wassergraben befindet, sollte die Wasserbehörde ebenfalls kontaktiert werden. Und zu guter Letzt hat die Untere Naturschutzbehörde noch ein Wörtchen mitzureden. Diese prüft nicht nur, ob der geplante Radweg Auswirkungen auf das in unmittelbarer Nähe gelegene Flora-Fauna-Habitat-Gebiet hat, sondern auch ob arten- und/oder biotopschutzrechtliche Belange betroffen sind. All diese Aspekte, die bis dato ungeklärt sind, müssen in einem entsprechenden Genehmigungsverfahren abgearbeitet werden.
Ob die gewünschte Trassenführung unter Beachtung all dieser Gesichtspunkte realisiert werden kann, steht folglich in den Sternen.
Die städtische Wegeparzelle, auf der der Radweg gebaut werden soll, ist als Wiesenweg vollkommen in die Natur integriert und als solcher nicht zu erkennen. Der Weg existiert somit nur auf dem Papier. Durch den Bau des ca. 2,5 m breiten Radweges würden die Grundflächen der Wegeparzelle verdichtet und somit ein massiver Eingriff in das bestehende Ökosystem vorgenommen.
Zudem soll der neue Radweg unmittelbar an zwei dort gelegenen Fischteichen vorbeigeführt werden. Für den sich dort angesiedelten scheuen Eisvogel bietet sich hier ein idealer Lebensraum, der dann durch den Bau des Radweges zerstört wird.
Im weiteren Verlauf soll der neue Radweg letztlich über ein Grundstück führen, das derzeit noch der Katholischen Kirchengemeinde gehört und welches die Stadt Hadamar im Rahmen eines Grundstückstauschs erwerben möchte

Wo bleiben die Pächter - auf der Strecke?
Durch den Bau des Radweges über dieses Grundstück soll der Anstieg zum geschotterten Wirtschaftsweg nach Thalheim etwas abgemildert werden. Hierbei sehen wir jedoch folgende Probleme:

  1. Die Stadt Hadamar geht offensichtlich davon aus, dass sie direkt nach Erwerb des Grundstücks damit machen kann, was sie will. Darauf zumindest weisen die wohl im Zuge von Vermessungsarbeiten bereits eingeschlagenen Holzpflöcke hin. Allerdings wird die Fläche landwirtschaftlich genutzt, und folglich dürfte auch ein Pachtvertrag hierüber bestehen. Mit dem Erwerb des Grundstücks tritt die Stadt in die Rolle des Verpächters in diesen Pachtvertrag ein. Landpachtverträge weisen in der Regel langjährige Laufzeiten und spezielle Kündigungsfristen auf. Um das Grundstück nutzen zu können, müsste die Stadt deshalb zunächst eine Einigung mit dem Pächter erzielen.
  2. Offensichtlich hat die Stadt Hadamar übersehen, dass sie dem Bewirtschafter der Grünflächen mit dem Verlauf des Radweges über dieses Grundstück die einzige Zuwegung zu seinen Flächen abschneiden würde. Diese könnten dann nur noch erreicht werden, indem man den Radweg überquert. Der Radweg soll mit wassergebundener Decke realisiert werden, also unbefestigt als Schotterfläche. Einem Überfahren mit schwerem landwirtschaftlichem Gerät würde er nicht standhalten. Somit müsste dort ein Teilbereich des Radweges derart gebaut werden, dass dies möglich wird. Alternativ müsste eine neue Zufahrt für die Grünflächen geschaffen werden, was wegen der örtlichen Gegebenheiten aber kaum zu realisieren sein dürfte.
  3. Die Bewirtschaftung der Grünflächen erfolgt derzeit vornehmlich durch Beweiden dieses abgelegenen Fleckchens Erde mittels mobilem Elektrozaun. Ob dies nach einem Bau des Radweges noch möglich sein wird, ist mehr als fraglich. Es ist nämlich davon auszugehen, dass mit Radfahrern und Spaziergängern auch freilaufende Hunde in diesen Bereich vordringen.
An dieser Stelle ist der „Aufstieg“ zur geschotterten Straße nach Thalheim zu sehen, inklusive mehrer Absteckpfosten, die den voraussichtlichen Verlauf des Radweges quer durch den oberen Teil der Feuchtwiese provisorisch kennzeichnen.
An dieser Stelle ist der „Aufstieg“ zur geschotterten Straße nach Thalheim zu sehen, inklusive mehrer Absteckpfosten, die den voraussichtlichen Verlauf des Radweges quer durch den oberen Teil der Feuchtwiese provisorisch kennzeichnen.

Unsere begründeten Einwände:

  • Es bleiben Zweifel, ob durch den neuen Radweg im Hinblick auf die geplante Streckenführung tatsächlich eine signifikante Verbesserung in Bezug auf eine bequeme Streckenführung zu erzielen ist. Der geplante und der bisherige Streckenverlauf beinhalten Anstiege. Aber das ist hier halt so, wir leben ja nicht in Norddeutschland.
    Hinzu kommt, dass ortskundige Radfahrer*innen ohnehin einen bestehenden schmalen Weg durch das Waldgebiet nutzen, das sogenannte „Mondscheinwegelchen“. Aus diesem Grund wurde vor einigen Jahren in diesem Bereich ein alternativer Fußweg für Spaziergänger geschaffen.
  • Die Pächter der HALM-projektierten Wiesen können von der Verwaltung der Stadt Hadamar nicht im Regen stehen gelassen werden. Die sich bezüglich der Landwirtschaft ergebenden Probleme müssten seitens der Stadt Hadamar gelöst werden.
  • Wir bevorzugen die Weiterführung des Radweges auf schon bestehenden Straßen und Wegen in Niederzeuzheim, anstatt wertvolle Naturräume zu beschneiden und zu zerstören.
  • Wir hätten diesen Radweg so nicht geplant und für die dadurch nicht verbrauchten Fördergelder aus der HESSENKASSE eine sinnvollere Verwendung zum Ausbau des Radwegenetzes gefunden, zumal die Kosten eines Radweges mit wassergebundener Decke auf einer Feuchtwiese sich vervielfachen können und Untergrund und geplante Bauweise einfach nicht zueinander passen.

Fazit
Aus unserer Sicht ist eine strategisch-umsichtige Planung eines Bauvorhabens durch die Stadt Hadamar, wie den Radweg von Niederzeuzheim nach Thalheim, die Grundlage für eine erfolgreiche Politik für uns Bürgerinnen und Bürger und nicht zu vergessen für unsere erhaltenswerte Natur gerade in Zeiten des Klimawandels und des Insektensterbens. Die Ressourcen der Verwaltung würden effektiver genutzt und verpuffen nicht in Planungen, die dann in der angedachten Weise nicht umgesetzt werden können, da grundlegende Anfragen nicht berücksichtigt wurden.
Ebenfalls unverständlich ist die publikumswirksame Präsentation dieses Radweges, der aus den oben geschilderten Gründen wahrscheinlich nicht, und wenn, dann mit großem Aufwand umgesetzt wird.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Bau dieses neuen Radweges für uns nicht zu vertreten ist!

Marc Hannappel und Sabine Hirler, 06.12.2020